Alice und die Rose des kleinen Prinzen
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Novemberbuch 2020
"Es bedarf eines Zieles."
(Antoine de Saint-Exupéry)
Und die Geschichte, um die sich diese Betrachtung strickt und an die sich alle anderen anlehnen, ist die Geschichte von Antoine, dem Piloten, dem Schriftsteller, dem Journalisten, dem Vagabunden, dem rastlosen Ritter und seiner Rose Consuelo.
Und Alice fand einen Stapel Postkarten mit Zitaten des Schriftstellers, eingelegt in ein lederumhülltes Buch mit dem Titel "Die Rose des kleinen Prinzen".
Und im Vorwort zum Buch schrieb Alain Vircondelet so Manches, mit dem von nun an das Paar Antoine und Consuelo in den Vordergrund rückte.
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Nahezu jeder weiß, dass Antoine de Saint-Exupéry ein legendärer Pilot war, eine komplexe Urgewalt, groß, kräftig und possierlich zugleich, auffällig und voller Poesie.
"Nur das Unbekannte ängstigt den Menschen. Sobald man ihm die Stirn bietet, ist es schon kein Unbekanntes mehr, besonders, wenn man es mit hellsichtigem Ernst beobachtet." Besonders, wenn man es mit hellsichtigem Ernst beobachtet. Mit diesem Teil des Zitates sah Alice seine weichen Gesichtszüge sich zu einem Lachen formen.
Geboren im Juni 1900. Getrieben vom Wunsch, Pilot zu sein, log der 12-Jährige unbekümmert den Piloten Gabriel Salvez-Wroblewski an, seine Mutter hätte ihm die Erlaubnis gegeben, mit ihm zu fliegen. Mit 23 flog er schon selbst Touristen über Paris, mit 26 Luftfracht auf der Strecke Touluse-Casablanka-Dakar (Frankreich, Marokko, Senegal).
Anschließend, 31-jährig, richtete er in Argentinien Flugpost- und Luftfrachtlinien ein.
Und dort, in Argentinien, fand Antoine seine Frau; seine Rose Consuelo, die aus dem Land der Vulkane, die mit dem Maya-Blut. Und eigentlich war sie der kleine Vulkan, von dem die Szene sprach, doch er erstürmte, bestürmte fortan ihr Leben. Die Art, wie er sie gewann, die Art, wie er um sie rang, war bestimmend und ließ keinen Widerspruch zu. Sie saß in seiner Schlinge, noch ehe sie es begreifen konnte.
Die beiden lebten überwiegend im Paris der Künstler - Picasso, Dali, dessen Akzent und Sprachduktus sie annahm, Andrè Gide, der sie nicht leiden konnte, André Breton, der ihr Gedichte las, Joan Mirò u.a. gehörten zum Kreis - und sie führten ein Leben voller großer Auftritte, Adresswechsel und Krisen. Er ging fort, sie ging fort, er holte sie zurück, verließ sie wieder, in wilder und in Ehe, schwankend und taumelnd, auf und ab.
Mit 35 unternahm er den Versuch des Streckenrekordes Paris–Saigon. Er war zu dieser Zeit Werbebeauftragter und Journalist der französischen Kolonie Vietnam.
In der Ägyptischen Wüste musste er notlanden. In Paris füllen sich die Zeitungen. Die Schlagzeilen seines Verschwindens prankten in ebendiesem Sinne Consuelo entgegen. Sie musste warten und immer wieder warten, ihre Nerven lagen blank.
Antoine ging fünf Tage durch die Wüste, traf auf eine Karawane und wurde gerettet. Als er in Frankreich mit dem Schiff ankam, waren Consuelo und seine Mutter am Kai und als Antoine an Land ging, rannte Consuelo unmittelbar davon und rief den Reportern entgegen: "Ja, ich bin wahnsinnig vor lauter Warten. Er lebt, mehr wollte ich nicht wissen."
Consuelo galt den Schwestern und Verwandten als Außenseiterin, die anders sprach und anders aß, als exzentrisch, untreu und zuweilen als dumm. In Bezug auf die Mutter aber sagte Consuelo, dass einzig Tonios Mutter mit ihrer ungewöhnlichen Intelligenz und ihrem christlichen Glauben, dem Consuelo ja ebenfalls streng folgte, sie ganz einfach als die Frau sah, die ihr Sohn liebte. Wenn Tonio Consuelo haben wollte, dann sollte Tonio Consuelo auch bekommen. Sie lachte gutmütig über die Geschichten, die Consuelo ihr von der Pazifikküste erzählte – und erzählen konnte Consuelo gut! Alain Vircondelet schrieb über sie: Sie könne gurren, zwitschern, bezaubern durch die Art, wie sie die Wirklichkeit verwandle und in ihre Geschichten einbeziehe. Und Tonios Mutter, als wahre Christin, konnte nicht zulassen, dass die beiden für den Rest des Lebens in wilder Ehe lebten. Insofern insistierte sie natürlich auch. Und was Alice durchaus zwischen den Zeilen las, war eine mütterliche Dominanz, die aus den Karten seines Lebens resultiert. Als Antoines Vater starb, war er vier Jahre alt, der jüngere Bruder, als er 17 war. Tonios Wesen war das eines Parzivals, Ritterblut in Sanftheit, und das eines Tristans, eines sonnigen Helden in abgestecktem Terrain aus Schicksalsgeflecht.
Für Alice zeichnete sich der Gedanke ab, dass Antoine de Saint-Exupéry das Kind in sich nie transformieren konnte, denn egal, welche Karten das Leben auch ausspielt: Die Transformation ist letztlich Aufgabe des Jungen selbst.
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Die Kristallkugel, ein Märchen aus der Sammlung der Gebrüder Grimm
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Im Märchen löst sich der Bann, die Transformation ist erfolgreich. In Antoines und Consuelos Leben wollte es nicht gelingen. Sie trennten sich wieder, er ging nach Amerika und sie wollte nur noch zurück in ihre Heimat nach El Salvador.
Bitte ... zähme mich!
Mit 38 unternahm Antoine den Versuch des Rekordfluges New York – Feuerland.
Für die einen, die reisen, sind die Sterne Führer.
Consuelo reiste gerade zu diesem Zeitpunkt mit dem Schiff in ihre Heimat und wollte in Guatemala an Land gehen. Antoines Flugzeug stürzte ab, in Guatemala.
"Was bedeutet zähmen?" - "Zähmen, das ist eine in Vergessenheit geratene Sache" … "Es bedeutet, sich vertraut machen."
Er brach sich 32 Knochen, 11 davon, lebensgefährlich. Seine Organe waren gerissen und verschoben. Sie pflegte ihn. Als er aus dem Spital kam, erinnerte er sie daran, dass sie getrennt waren und ging.
Wenn einer eine Blume liebt, die es nur ein einziges Mal gibt auf allen Millionen und Millionen Sternen, dann genügt es ihm völlig, dass er zu ihnen hinaufschaut, um glücklich zu sein.
Und Antoine holte Consuelo zurück nach Paris. Er mietete ihr ein Haus auf dem Land, er selbst blieb in der Stadt. Die coabhängige Liebe ging weiter und weiter. Dabei war Consuelo bei weitem keine schwache Frau, soviel stand fest, soviel konnte Alice den Recherchen entnehmen. Sie war ein kleiner Vulkan, sie fand sich zurecht, selbst als Krieg war und er wieder in Amerika.
Zwei Kriegsjahre später holte er sie nach New York und die Höhen und Tiefen ihrer unmöglichen Liebe nahmen ihren Lauf. Sie versuchten es noch einmal in dieser weißen Villa in North Port. Dort schrieb er den kleinen Prinzen und sie nannten die Villa auch "Das Haus des kleinen Prinzen". Zu guter Letzt jedoch konnte auch das "Haus des kleinen Prinzen" Antoines Urgewalt nicht bändigen. Er wollte fliegen und es war immer noch Krieg.
Am 31. Juli 44 startete Antoine de Saint-Exupéry seinen planmäßig letzten Aufklärungsflug und kehrte nicht zurück. Gefunden wurden seine Spuren später im Meer östlich von Marseille.
Alice grübelte vor sich hin; und ihre Gedanken kreisten nicht um die Ursache des Absturzes, sondern sammelten sich in dem Bild, da Antoine sich seiner Frau Consuelo widmete und sie bat, immer wieder bat, sie solle ihm die Geschichte von den Bienen erzählen.
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Warum der Honig jetzt so selten ist, eine Sage von den Aruwaken Südamerikas
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"Bitte zeichne mir ein Schaf." Alice nahm die Karte vom Stapel. ‚Das war damals‘, dachte sie, ‚als Antoine in der Wüste notlanden musste und die Schlagzeilen in Paris voll waren.‘ Sie blätterte in dem gelben Ganzleinen gebundenen Taschenbuch „Der kleine Prinz“ bis zur Seite 10 und las:
"Es war für mich eine Frage auf Leben und Tod. Ich hatte für kaum acht Tage Trinkwasser mit. Am ersten Abend bin ich also im Sande eingeschlafen, tausend Meilen von jeder bewohnten Gegend entfernt. Ich war viel verlassener als ein Schiffbrüchiger auf einem Floß mitten im Ozean. Ihr könnt euch daher meine Überraschung vorstellen, als bei Tagesanbruch eine seltsame kleine Stimme mich weckte:
"Bitte zeichne mir ein Schaf."
"Wie bitte?"
"Zeichne mir ein Schaf."
Ich bin auf die Füße gesprungen, als wäre der Blitz in mich gefahren. Ich habe mir die Augen gerieben und genau hingeschaut. Da sah ich ein kleines, höchst ungewöhnliches Männchen, das mich ernsthaft betrachtete.
Und Alice wusste ja, dass der Pilot Antoine, nach etlichen Versuchen, mit denen der kleine Kerl gar nicht zufrieden war, eine geschlossene Kiste mit Luftlöchern zeichnete und dazu knurrte: "Das Schaf, das du willst, steckt da drin." Und Alice wusste auch, dass der kleine Prinz sehr zufrieden war:
"Es ist ganz so, wie ich es mir gewünscht habe. … Aber sieh nur! Es ist eingeschlafen."
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Die Entstehung von Tag und Nacht, eine Ursprungsgeschichte aus Algerien
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Manche halten das Werk "Der kleine Prinz" von Antoine de Saint-Exupéry für überschätzt. Als freies Werk kann man es frei nutzen und sicher ist das ein Grund für die Bandbreite seiner Erscheinungen in Theaterstücken und Lesungen. Es war Alice also allgegenwärtig und hin und wieder stöberte sie in dem gelben Büchlein mit den vollmundigen Weisheiten.
Auf der Reise, die der kleine Prinz bis zu seinem Eintreffen auf der Erde gemacht hatte, kam er zu verschiedenen Planeten, genauer gesagt, Asteroiden, die von verschiedenen Leuten bewohnt waren. Der Geograf war es, der ihm die Erde empfahl, sie habe einen guten Ruf. Zuvor begegnete er dem Säufer, der in einer Endlosschleife des "vergessen Wollens" verfangen war und er fand dieselbe Parallele beim Geschäftsmann für das "besitzen Wollen". Er traf den Laternenanzünder und wunderte sich über dessen Beflissenheit, die Weisung zu befolgen, denn der Planet drehte sich mittlerweile einmal in der Minute, so dass das Laternenanzünden gar nicht lohnte. Er könne doch einfach in kleinen Schritten vorangehen und stünde stets im Licht, sagte ihm der kleine Prinz. Alice nahm die Karte vom Stapel, auf der die Antwort des Laternenanzünders stand: "Was ich im Leben liebe, ist der Schlaf." Und es ging ihr nicht anders, als dem kleinen Prinzen, der immer wieder feststellte, dass die großen Leute entschieden sehr, sehr wunderlich sind, dabei war sie ja selbst bereits eine von den großen Leuten. Und das Gespräch, das der kleine Prinz mit dem Geografen über Blumen und deren Vergänglichkeit hatte, löste auch in ihr ein gewisses Gefühl der Reue aus. Immer gibt es Jemanden, den man an bestimmter Stelle allein gelassen hat und immer ist man jemand, der an bestimmter Stelle allein gelassen wurde. Und es war der König auf dem ersten Planeten, der gesagt hatte: Es ist viel schwerer, sich selbst zu verurteilen, als über andere zu richten.
Alice legte die Karten beiseite und blätterte suchend nach dem Zitat im Buch.
Der König thronte in Purpur und Hermelin auf einem sehr einfachen und dabei sehr königlichen Thron. "Ah, sieh da, ein Untertan! Komm näher, dass ich dich besser sehe", sagte der König und war ganz stolz, dass er endlich für Jemanden König war.
Der kleine Prinz schaute sich nach einer Sitzgelegenheit um, aber der ganze Planet war bedeckt von dem herrlichen Hermelinmantel.
"Darf ich mich setzen?", fragte schüchtern der kleine Prinz.
"Ich befehle dir, dich zu setzen", antwortete der König und zog einen Zipfel seines Hermelinmantels majestätisch an sich heran.
"Herr", sagte der kleine Prinz zu ihm, "ich bitte, verzeiht mir, dass ich Euch frage, .."
"Ich befehle dir, mich zu fragen", beeilte sich der König zu sagen.
"Herr, worüber herrscht ihr?"
"Über alles", antwortete der König mit großer Einfachheit.
"Über alles?"
Der König wies mit einer bedeutsamen Gebärde über seinen Planeten, auf die anderen Planeten und auf die Sterne. "Über all das", sagte der König.
Solche Macht verwunderte den kleinen Prinzen. Wenn er sie selbst gehabt hätte, wäre es ihm möglich gewesen, zweihundert Sonnenuntergängen an ein und demselben Tag beizuwohnen, ohne dass er seinen Sessel hätte rücken müssen und er fasste sich ein Herz und bat den König um eine Gnade.
"Ich möchte einen Sonnenuntergang sehen. Machen Sie mir die Freude, befehlen Sie der Sonne, unterzugehen."
"Wenn ich einem General geböte, nach der Art der Schmetterlinge von einer Blume zur anderen zu fliegen oder eine Tragödie zu schreiben oder sich in einen Seevogel zu verwandeln, und wenn dieser General den erhaltenen Befehl nicht ausführte, wer wäre im Unrecht, er oder ich?"
"Sie wären es", sagte der kleine Prinz überzeugt.
"Richtig. Man muss von jedem fordern, was er leisten kann", antwortete der König. "Die Autorität beruht vor allem auf der Vernunft. Wenn du deinem Volke befiehlst, zu marschieren und sich ins Meer zu stürzen, wird es revoltieren. Ich habe das Recht, Gehorsam zu fordern, weil meine Befehle vernünftig sind!"
Alice wünschte die Worte des Königs in viele Ohren. Und er tat ihr genauso leid, wie dem kleinen Prinzen, der schließlich nicht bei ihm bleiben wollte, weder als Untertan, noch als Minister, noch als Gesandter. Er wollte weiterreisen und dem alten Monarchen nicht weh tun, also sagte er: "Wenn Eure Majestät Wert auf pünktlichen Gehorsam legen, könnten Sie mir einen vernünftigen Befehl erteilen. Sie könnten mir z.B. befehlen, innerhalb einer Minute zu verschwinden. Es scheint mir, dass die Umstände günstig sind."
Und nun kam der kleine Prinz zum Eitlen.
"Ah, ah, schau, ein Bewunderer kommt zu Besuch!" ... denn für die Eitlen sind die anderen Leute Bewunderer.
" Guten Tag," sagte der kleine Prinz. " Sie haben einen spaßigen Hut auf."
" Der ist zum Grüßen," antwortete ihm der Eitle. " Er ist zum Grüßen, wenn man mir zujauchzt." … " Bewunderst du mich wirklich sehr?"
" Was heißt bewundern?"
" Bewundern heißt erkennen, dass ich der schönste, der bestangezogene, der reichste und der intelligenteste Mensch des Planeten bin."
" Aber du bist doch allein auf deinem Planeten!"
" Mach mir die Freude, bewundere mich trotzdem."
" Ich bewundere dich," sagte der kleine Prinz, indem er ein bisschen die Schultern hob, " aber wozu nimmst du das wichtig?"
Antoine mochte Eitle sicher nicht, aber er selbst war geradezu in einem Geflecht aus Narzissmus und Urgewalt seiner Persönlichkeit verfangen. Und er fing Consuelo und verstrickte sie. Und sie verstrickte sich darin, coabhängig und dauerhaft. Ein bisschen Eitelkeit mag gut sein für den Stil, tut für gewöhnlich Niemandem sonst weh. Der Eitle selbst bringt sich womöglich in Gefahr, wenn er die Nase richten lässt oder das Konto überzieht, um den schönsten Hut zu tragen. Narzissmus aber bleibt nicht bei sich, sondern zieht und zerrt und versenkt. Die Welt von heute produziert Eitle wie Narzissten wie am Fließband und Alice blätterte die Seiten zurück zum König, suchte und fand die Worte, die der König sagte: "Wenn es dir gelingt, über dich selbst gut zu Gericht zu sitzen, dann bist du ein wirklicher Weiser."
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Warum die Himmlischen einst den Büffel schufen, eine Legende aus Vietnam
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Alice nahm erneut das kleine gelbe Buch zur Hand und schlug die Seiten der Ankunft des kleinen Prinzen auf der Erde auf. Und der wunderte sich! Niemand war zu sehen und er befürchtete schon, sich geirrt zu haben und vielleicht gar nicht auf der Erde mit dem guten Ruf zu sein.
Da sah er einen mondfarbenen Ring sich im Sande bewegen. Der kleine Prinz sprach das Wesen aufs Geratewohl an:
"Auf welchen Planeten bin ich gefallen", fragte er.
"Auf die Erde, du bist in Afrika", antwortete die Schlange.
"Ah! Es ist also niemand auf der Erde?"
"Hier ist die Wüste. In der Wüste ist niemand. Die Erde ist groß", sagte die Schlange, und sie fragte weiter: "Was willst du hier machen?"
"Ich habe Schwierigkeiten mit einer Blume," sagte der kleine Prinz.
"Ah!" sagte die Schlange. Und sie schwiegen.
"Wo sind die Menschen?" fuhr der kleine Prinz endlich fort. "Man ist ein bisschen einsam in der Wüste."
"Man ist auch bei den Menschen einsam", sagte die Schlange.
Der kleine Prinz sah sie lange an.
"Du bist ein drolliges Tier", sagte er schließlich, "dünn, wie ein Finger."
"Aber ich bin mächtiger, als der Finger eines Königs", sagte die Schlange.
Der kleine Prinz musste lächeln: "Du bist nicht sehr mächtig. Du hast ja nicht einmal Füße, du kannst nicht einmal reisen."
"Ich kann dich weiter wegbringen, als ein Schiff", sagte die Schlange. Sie rollte sich um den Knöchel des kleinen Prinzen, wie ein goldenes Armband.
"Wen ich berühre, den gebe ich der Erde zurück, aus der er hervorgegangen ist", sagte sie noch. "Aber du bist rein, du kommst von einem Stern."
Der kleine Prinz antwortete nichts.
"Du tust mir leid auf dieser Erde aus Granit, du, der du so schwach bist. Ich kann dir eines Tages helfen, wenn du dich zu sehr nach deinem Planeten sehnst. Ich kann .. "
"Oh, ich habe sehr gut verstanden", sagte der kleine Prinz, "aber warum sprichst du immer in Rätseln?"
"Ich löse sie alle", sagte die Schlange. Und sie schwiegen.
Der kleine Prinz suchte die Menschen und traf auf Rosen, auf viele Rosen und fühlte sich betrogen, denn seine Rose hatte behauptet, die einzige ihrer Art zu sein und Alice wusste, was jeder weiß, nur der kleine Prinz eben noch nicht, dass die vielen Rosen tatsächlich DIE EINE nicht ersetzen können.
Antoine holte seine Rose aus El-Salvador zurück, aber er blieb fern. Für sie mietete er ein Haus auf dem Land und er selbst blieb in Paris.
Consuelo war unverwüstlich. Sie suchte und fand Arbeit als Radiosprecherin bei Radio Paris. Sie führte Interviews mit Persönlichkeiten. Und eines Tages lud sie ihn als Gast in die Sendung, nur wusste er nicht, dass sie "sie" ist, denn sie hatte einen Künstlernamen angenommen, und erst beim Betreten des Studios sah er sich seiner Frau gegenüber. Sie blieb kühl, als er sie verdutzt fragte, was sie hier mache! "Still Monsieur, in einer Minute wird die ganze Welt sie hören." Und sie gab ihm einen Fragebogen mit der Anweisung, ihn in Ruhe zu lesen, sie stelle die Fragen und er solle antworten. Er setzte noch an, etwas zu fragen, bekam aber nur ein scharfes: "Pst!" zu hören und dann die erste Frage: "Wo haben Sie Spanisch gelernt?"
Von da an übernahm er! Er antwortete und las gleich die nächste Frage und antworte usw., bis sie ihm das Mikrofon aus der Hand nahm und ihrerseits einen Abschlusssatz pfefferte und schließlich wurde er von der Sekretärin sanft aus dem Studio geschoben. Der nächste war dran für das nächste Interview.
Am Abend wartete er beim Radiosender und erfuhr von der Sekretärin, dass Madame Gòmez eine Einweihungsparty geben würde; niemand wusste, dass er ihr Mann ist.
Man lud ihn ein, mitzufahren, auf einem LKW, und er fuhr mit und unterwegs erzählten sie ihm die Geschichte von den Rosen. Sie erzählten ihm, dass sie es war, die den Rosenzüchtern Mut und Kraft gegeben hatte, denn sie fuhr jeden Tag von La Feuilleraie zur Arbeit ins Studio. Und an einem Abend, an dem es fror, als wäre der Winter noch einmal zurückgekommen, sah sie die Rosenzüchter aufgeregt weinen: Die Rosen würden vom Frost getötet. Sie erzählten ihm, dass Madame Gòmez dafür sorgte, dass ihre guten großen Leinentücher, die mit den bestickten Kronen, gebracht wurden. Man müsse sich das vorstellen: Mitten in der Nacht lagen die weißen Tücher auf der Erde und alle hätten mit angepackt, auch sie selbst, um ein Zelt zu errichten, um die Rosen zu schützen und so kam neue Hoffnung für die Rosenzüchter. Und überschwänglich erzählten sie weiter, dass am nächsten Morgen jeder von ihnen alte Stoffe und Pappe und was sich nur finden ließ an Umhüllungsmaterial brachte und damit die Rosen umwickelte und dass sie kleine Feuerchen gemacht hatten und darauf aufpassten, auf allen Vieren kriechend, um Wärme unter dem Zelt zu halten. Sie erzählten ihm, dass ein richtiges Wunder geschah. Die Leinentücher waren nur noch Fetzen, aber die Rosenernte war gerettet und die Liebe der Rosenzüchter zu Madame de La Feuilleraie wurde unendlich.
Lange betrachtete Alice die Postkarte auf dem Stapel. Und nun, unmittelbar nachdem der kleine Prinz die vielen Rosen gesehen hatte und weinend im Gras lag, stand eine wichtige Begegnung an. Der Fuchs näherte sich ihm.
"Wer bist du?", sagte der kleine Prinz. "Du bist sehr hübsch."
"Ich bin ein Fuchs", sagte der Fuchs.
"Komm und spiel mit mir", schlug ihm der kleine Prinz vor. "Ich bin so traurig."
"Ich kann nicht mit dir spielen" sagte der Fuchs. "Ich bin noch nicht gezähmt."
"Was heißt zähmen?"
"Sich vertraut machen."
"Vertraut machen?"
"Gewiss", sagte der Fuchs. "Du bist für mich noch nichts, als ein kleiner Knabe, der hunderttausend kleinen Knaben völlig gleicht. Ich brauche dich nicht, und du brauchst mich ebenso wenig. Ich bin für dich nur ein Fuchs, der hunderttausend Füchsen gleicht. Aber wenn du mich zähmst, werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzig sein in der Welt, du wirst für mich einzig sein in der Welt."
"Ich beginne zu verstehen", sagte der kleine Prinz. "Es gibt eine Blume, ich glaube, sie hat mich gezähmt."
"Das ist möglich", sagte der Fuchs. "Man trifft auf der Erde alle möglichen Dinge."
"Oh, das ist nicht auf der Erde.", sagte der kleine Prinz.
Der Fuchs schien sehr aufgeregt.
"Auf einem anderen Planeten?"
"Ja."
"Gibt es Jäger auf deinem Planeten?"
"Nein."
"Das ist interessant! Und Hühner?"
"Nein."
"Nichts ist vollkommen,", seufzte der Fuchs.
Aber der Fuchs kam auf seinen Gedanken zurück. "Mein Leben ist eintönig. Ich jage Hühner, die Menschen jagen mich. Alle Hühner gleichen einander und alle Menschen gleichen einander. Ich langweile mich also ein wenig. Aber wenn du mich zähmst, wird mein Leben wie durchsonnt sein. Ich werde den Klang deines Schrittes kennen, der sich von allen anderen unterscheidet. Die anderen Schritte jagen mich unter die Erde. Der deine wird mich wie Musik aus dem Bau locken. Und dann schau! Du siehst da drüben die Weizenfelder? Ich esse kein Brot, Für mich ist der Weizen zwecklos. Die Weizenfelder erinnern mich an nichts. Und das ist traurig. Aber du hast weizenblondes Haar. Oh, es wird wunderbar sein, wenn du mich einmal gezähmt hast. Das Gold der Weizenfelder wird mich an dich erinnern. Und ich werde das Rauschen des Windes im Getreide liebgewinnen."
Der Fuchs verstummte und schaute den kleinen Prinzen lange an.
"Geh die Rosen wieder anschauen. Du wirst begreifen, dass die deine einzig ist in der Welt. Du wirst wiederkommen und mir Adieu sagen und ich werde dir ein Geheimnis schenken."
Und der kleine Prinz kam zum Fuchs zurück: "Adieu", sagte er.
"Adieu", sagte der Fuchs."Hier mein Geheimnis. Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar."
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Die Umwandlung, eine Sufi Geschichte
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"Es macht die Wüste schön, dass sie irgendwo einen Brunnen birgt." Das hatte der kleine Prinz gesagt, als sie sich auf den Weg machten, von dem der Pilot Antoine mit hoffnungsloser Gebärde meinte, dass es sinnlos sei, auf Gut Glück in der Endlosigkeit der Wüste einen Brunnen zu suchen. Dennoch waren sie losgegangen und als der kleine Prinz das sagte, verstand Antoine plötzlich das geheimnisvolle Leuchten des Sandes, ja, er war ganz überrascht davon, es plötzlich zu verstehen, denn er erinnerte sich, dass er als kleiner Knabe in einem Haus wohnte, von dem die Sage ging, dass darin ein Schatz versteckt sei. Gewiss, es hat ihn nie jemand zu entdecken vermocht, vielleicht hat ihn auch nie jemand gesucht, aber er verzauberte dieses ganze Haus. Und während der kleine Prinz ermattete und Antoine ihn aufhob und in seinen Armen weitertrug, war er sehr bewegt. Ihm war, als trüge er ein zerbrechliches Kleinod und doch wusste er, dass es nur die Hülle ist, das Eigentliche ist für die Augen unsichtbar. Und bei Tagesanbruch entdeckte er tatsächlich den Brunnen.
Alice wusste um den Abschied voneinander in dieser Szene. Alle Trauer und alles zukünftige Erinnern lagen darin beieinander. Sie hatten wieder Wasser und Kraft für den letzten Akt. Antoine reparierte sein Flugzeug und der kleine Prinz verließ den Planeten Erde durch den Biss der Schlange. Zuvor aber verabschiedete er sich bewusst fröhlich von seinem Freund, dem Piloten.
"Wenn du bei Nacht den Himmel anschaust, wird es dir sein, als lachten alle Sterne, weil ich auf einem von ihnen wohne, weil ich auf einem von ihnen lache. Du allein wirst Sterne haben, die lachen können. Und wenn du dich getröstet hast (man tröstet sich immer), wirst du froh sein, mich gekannt zu haben. Du wirst immer mein Freund sein. Du wirst Lust haben, mit mir zu lachen. Und du wirst manchmal dein Fenster öffnen, gerade so zum Vergnügen. Und deine Freunde werden sehr erstaunt sein, wenn sie sehen, dass du den Himmel anblickst und lachst. Dann wirst du ihnen sagen: "Ja, die Sterne bringen mich immer zum Lachen!" Und sie werden dich für verrückt halten. Ich werde dir einen hübschen Streich gespielt haben." Und er lachte wieder.
Antoine hatte es nicht gesehen, als er sich in der Nacht auf den Weg zur Schlange gemacht hatte. Der kleine Prinz war lautlos entwischt.
Und es war gut, dass alle Trauer und alles zukünftige Erinnern bereits einmal in rasantem Erleben durch ihn hindurch geschossen waren. Als er gerettet wurde und auf seine Kameraden traf, sagte er ihnen, sein Befinden sei die Erschöpfung. Und Alice dachte an den Moment, da Antoine in Frankreich am Kai ankam und Consuelo fortrannte. Aus Alice' Sicht war dies die Szene des Abschiedes zwischen Consuelo und Antoine, leider ohne das Geschenk, sich des Trauerns und des zukünftigen Erinnerns bewusst bedienen zu können.
"Und ich liebe es, des Nachts den Sternen zuzuhören. Sie sind wie 500 Millionen Glöckchen."
(Antoine de Saint-Exupéry)
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Antoine ging legendenhaft in die Nachwelt ein. Und Consuelo? Um ihre Lebenskraft zu erhalten nutze sie die ihr eigene Exzentrik und schrieb ihre Memoiren. Sie schrieb, wie sie sprach, und ihre Sprache war die der großen Erzähler ihres Kontinents – Borges, Cortàzar, Màrquez. Der magische Realismus passte gut zu ihrer exotischen Anmut.
In großen Überseekoffern waren die vielen Papiere, Skizzen, Kritzeleien, Notizbücher, Briefe, Entwürfe ihres Mannes verstaut und so, wie sie nach und nach daranging, darin zu stöbern, so füllten sich die Koffer nun nach und nach mit ihren eigenen Memoiren und den auf Mikrofilmen konservierten Konversationen des Paares.
Alice wusste nichts über das Land, aus dem Consuelo stammte, kannte keine Geschichten aus El-Salvador mit seinen verdorrten Äckern, Vulkanen und Erdbeben. Was hatte es mit den Bienen auf sich, von denen Consuelo ihrem Antoine immer wieder erzählen sollte?
Consuelo aber kannte die Geschichten aus erster Hand von den Indios, mit denen sie als kleines Mädchen in den Kaffeepflanzungen ihres Vaters zwischen den großen Bananenstauden spielte.
Und Alice suchte nun ihrerseits nach diesen Geschichten und stöberte in den Mythen der Maya, die von Ah-Mucen-Cab, dem Honig-Gott, und den vier Bacabs, den vier Brüdern und fliegenden Göttern, berichteten und davon, wie dieses indianische Kulturvolk Mittelamerikas noch heute die damalige und die wieder erwartete Ankunft der Götter zelebriert und wie die Maya-Menschen entstanden seien.
"Die Zeit des Morgengrauens ist gekommen, lasst uns das Werk beenden. Lasst jene, die uns ernähren und erhalten sollen, erscheinen", so sprachen der Schöpfer und der Macher, die genannt wurden Tepeu und Gucumatz.
Die Maya sagen, dass die ersten vier gelungenen Menschenpaare aus Maismehl gemacht waren. Die Versuchsmaterialien zuvor waren Lehm und Holz. Die Ergebnisse waren den Vorvätern nicht recht, denn zur Ernährung und Erhaltung der Götter trugen die wenig bei. Daher nun die Versuchsreihe mit Mais! Und man machte gleich vier Geschöpfe. Redundanz der Prototypen!
Und sie formten die ersten vier Männer. Und da sie das Aussehen von Menschen hatten, waren sie Menschen. Sie redeten, sahen, hörten, gingen, griffen nach Dingen. Sie waren gut und schön! Sie waren begabt mit Verstand. Sie sahen und sofort sahen sie weit. Sie schauten und sofort war ihr Wissen groß. Wirklich, es waren bewunderungswürdige Menschen.
Das war den Vorvätern nun auch wieder nicht recht. Sie waren fähig, alles zu wissen, und sie betrachteten die vier Ecken, die vier Punkte des Himmelsbogens und das ganze runde Gesicht der Erde.
Darum hielten die Vorväter erneut Rat, denn allzu schlau sollten die Geschöpfe nicht sein – was wäre, wenn sie sich nicht vermehrten? Dann würden die ja wieder nicht zur Ernährung und Erhaltung der Götter beitragen. Also reduzierten sie das Sehen und somit auch die Wünsche und dann machten sie vier Frauen und gesellten sie ihnen über Nacht hinzu und so waren die vier Paare der Menschen gemacht, aus denen das Maya-Volk erwuchs. Und die Menschen waren erfüllt von Freude, weil sie ein Land vorfanden, üppig gefüllt mit gelbem und weißem Mais und voll unzähliger anderer Früchte und Honig.
Der Maya Mythos bleibt nicht in dieser Idylle. Die Götter waren vergänglich. Sie waren geblendet und ließen Honig und Milch für sich im Übermaß fließen und Alice ist sich durchaus im Klaren darüber: ‚Hier, auf der Erde ist Vergänglichkeit. Die Art, auf ihr zu verweilen aber, liegt in unserer Hand.‘
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Kaboi – Der Ahnherr der Karaja, eine Ursprungslegende aus Brasilien
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Audioliste kompakt
Internet - Quellen
Hekaya - Märchen aus Mittelamerika, Maya
https://hekaya.de/maerchen/aus-aller-welt--amerika--maya.html#
Die Kultur der Maya
https://www.indianerwww.de/indian/maya-aufstieg-fall.htm
Götter der Maya
http://files.homepagemodules.de/b260035/f49t2103p15110n2_XjHgIEae.pdf
Geschichte der Bienen
http://www.bienenzuchtverein-sulzbach-rosenberg.de/fileadmin/daten_40812/Geschichte_der_Bienen.pdf
Das Paar - Quelle Wikipedia
Antoine de Saint-Eupèry – Der kleine Prinz
Consuelo de Saint-Exupéry – Die Rose des kleinen Prinzen
Die Szene - Quelle YouTube
Picasso
https://youtu.be/Nxes8pyHkJc
Salvador Dalì
https://youtu.be/BlbVV_FDKe0
Andrè Gide
href="https://youtu.be/jtY0e4yRtsc
André Breton
https://youtu.be/OzRKGThzQz0
Joan Mirò
https://youtu.be/HRjMvz1pF4Q
Die Autoren und Erzähler Südamerikas - Quelle YouTube
Jorge Luis Borges
https://youtu.be/g3c0hYRO3Qk
Julio Cortàzar
https://youtu.be/Jfs4cvpQ6As
Gabriel García Márquez
https://youtu.be/xoY0JajgB7M
Mit Dank vorab für Ihre Empfehlungen!
Herzliche Grüße
Anke Ilona Nikoleit