KJUI Podcast

Drei Haselnüsse Mut

Audio kompakt


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Passend zu Weihnachten und dem Klassiker "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" möchte ich die Märchen der Božena Němcová in den Fokus rücken, um schlussendlich weihnachtliche und weltliche Grüße und Gedanken zu versenden.

Božena Němcová

Im letzten Viertel dieses Jahres bekam ich das Buch "Das goldene Spinnrad" geschenkt. Als ich das erste Märchen las, schien es bereits daraus zu leuchten. Dieses "Scheinen" setzte sich mit jedem gelesenen Märchen fort und ich war verwundert. Endlich guckte ich genauer auf den Einband: Ja, die Märchen und Märchenmotive sind von einer Person aufbereitet und aufgeschrieben worden. Am Ende des Buches findet sich sogar eine Biografie. Also blätterte ich darin und suchte im Netz nach ihrem Namen; und schon fügten sich Schein und Sein wie von selbst.

Diese Frau, Božena Němcová (geboren 1820 in Wien), bereitete slowakische und tschechische Märchen in tiefstem Verstehen und Durchdringen der alten Zeiten in Verbindung zur Moderne des 19. Jahrhunderts auf. Für mein Empfinden thematisierte sie das Wesentliche und Natürliche gleichzeitig mit Fortschritt und Veränderung. Beim Lesen ihrer Biografie stellte sich plötzlich heraus, dass sie gerade einmal 42 Jahre alt wurde, dass sie lediglich die Grundschule besucht hatte, dass sie an der Seite ihrer Mutter, Dienstmagd auf einem herzoglichen Gut, und ihres Vaters, herrschaftlicher Kutscher, aufwuchs. Die Großmutter, eine Weberin, hatte Einfluss auf sie und zeitweilig wurde sie auch durch den Schlossverwalter unterwiesen. Die Heirat mit einem 15 Jahre älteren Steuerbeamten, der häufig versetzt wurde, führte dazu, dass die Familie, aus der vier Kinder hervorgingen, verschiedene Städte und Leute in Böhmen kennenlernte. Božena pflegte Kontakte zur patriotischen Intelligenz und beschäftigte sich mit dem utopischen Sozialismus.

Mit 23 Jahren begann sie zu schreiben; Gedichte und etliche Erzählungen und gesammelte tschechisch/slowakische Märchen und Sagen, die sie in ihrer Art und Denkweise aufschrieb.

Im Nachwort zu "Das goldene Spinnrad" ist eine treffende Aussage des Schriftstellers Julius Fučík über Božena Němcová zu finden, übersetzt von Günther Jarosch ins Deutsche.

"... die Autodidaktin Němcová - man erinnere sich: mit Grundschule und einem Handarbeitskurs - wurde zur Begründerin der ganzen modernen tschechischen Prosa.
Das ist eine kämpferische Energie, eine heroische Energie, mit der sie sich zu diesem Ziele durchkämfte. Schon war sie eine tschechische Schriftstellerin und lernte erst die tschechische Rechtschreibung. Sie lernte die tschechische Rechtschreibung und machte sich gleichzeitig mit der Hegelschen Philopsophie vertraut. Sie kannte Hegel erst von fern und forschte nach den praktischen Gesetzen für die Neuorganisation der Gesellschaft ... Aber wer in Böhmen konnte ihr etwas dazu sagen?
Niemand in Böhmen konnte ihr mehr sagen, als sie selbst wusste. Keiner wusste mehr, als sie selbst erahnte. Mit ihrer intuitiven Erkenntnis war sie weiter, als alle ihre gebideten Freunde, bei denen sie Hilfe suchte. Und so stand sie allein vor dem Ziel ihres Strebens, das auf Reichweite vor ihr lag - und doch geschieden durch sieben Siegel des Unwissens. Sie verstand es, sich die Welt auf ihre Art neu, und im wesentlichen richtig zu erklären, aber sie wusste nicht, wie sie zu ändern war."


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So möchte ich zum Abschluss des Jahres fünf ihrer Märchen zu Gehör bringen und dabei eine gewisse Hellhörigkeit einfordern. Hier im Podcast weiche ich ab vom gewohnten Mitlesen der Texte für diese fünf Märchen, doch stehen sie nachfolgend auf Knopfdruck bereit.

Märchen 1

"Die Hexe Katrenka"
Es zeigt sich in mindestens zwei Schichten: neben der Thematik des aufkommenden Christentums hat die kosmische Seite der Navigation durch Raum und Zeit allein schon über Sternbilder Bestand.

Märchen 2

"Der Adler, die Nachtigall und die Rose"
Es zeigt sich in der Poesie des natürlichen Paradieses, das von menschlichen Bedürfnissen und Sehnsüchten durchwirkt wird. Die Hexe Burka spiegelt die Verbitterung, das Mädchen Viola die blanke Zuversicht.

Märchen 3

"Der Türke und die schöne Katharina"
Es gleicht in Teilen einer Ballade und zeigt die Differenzen zwischen Kulturen auf. Doch zugleich fordert es zum Nachsinnen über das Geschehene auf. Die Absicht war Glück und Liebe, das Ergebnis sind Tod und Schmerz.

Märchen 4

"Der gerechte Bohumil"
Es kommt zum klassischen Urkonflikt: Opferung der liebsten Person zur Bezeugung an Glaube, Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit - eine sensible Grenze zum Extremismus.

Märchen 5

"Viktorka"
Es offenbart eine besondere Mystik mit feinen Verdrahtungen im Gewöhnlichen; das Sonderbare findet direkt im Alltäglichen Dorfleben statt. Die Verbindung von Altem und Neuem in Gänze ist jedoch nicht reif. So endet es tragisch, denn Fortschritt braucht eine Seele.


Gedanken und Grüße

Es gibt den Begriff des unschlitten Lichts. "Unschlitt", von mittelhochdeutsch "unslit". Wird ein Licht (eine Kerze/ eine Lampe) aus dem Eingeweidefett der geschlachteten Paarhufer gespeist, anstatt aus reinem Fett oder Öl, sondert es einen nicht ganz hellen Schein ab, einen, der die Farben nicht ganz wiederzugeben vermag. Manche Tage erscheinen einem genauso. Heute z.B. sah ich am Morgen noch einen hellblauen Himmel, der jedoch von rosa Streifen durchwirkt war, die sich bald wie beim Socken stopfen als Gitternetz aus Wollfäden unter ihm verwoben, gezogen von Flugzeugen wie Nadelöhren. Das führte zu jenem unschlitten Licht. Ich dachte dabei an die Raunächte und dass doch jeder Tag der Raunächte das Wetter eines Monats im nächsten Jahr anzeigen würde. Heute entspräche dem Wetter für Mai 2025. Tja, die Holle sitzt sicher nicht in einem dieser Nadelöhre und fädelt das rosa Stopfgarn unter das hellblaue Gewölbe. Eine gewisse Schwermut machte sich in mir breit und löste sich schließlich im Ausblick auf; denn erst das Wetter im Mai 2025 wird die Empirik bestücken und so noch viele weitere Male in den kommenden Jahren. Solange Menschen also die Raunächte und das Wetter beobachten, werden sie auch davon erzählen können.
Den Mut zu haben, Bräuchen und Aberglauben ihren Sinn und Wert zuzugestehen, sie zu erhalten und in die Gegebenheiten einzuweben, scheint mir kollektive Seelennahrung zu sein.

Es gibt diese eine Gewissheit (wie es viele weitere Gewissheiten gibt), dass jeder Tag für sich selbst sorgen wird. Heute z.B. hat mich die Hexe im Lendenwirbel erwischt. Jeder, der das schon einmal hatte, weiß, was es bedeutet. Was also tun, außer es anzunehmen und Muße walten zu lassen. Der Jahresausklang der Neuzeit ist vollgestopft mit dem Widersinn dessen, was er eigentlich sein sollte - Ausklang und Einkehr. Da mahnt ein Hexenschuss nur allzu recht und jede weitere Entscheidung hängt vom Augenblick ab. Muße ist bedeutsam, Demut auch.
Den Mut zu haben, jeden Tag so anzunehmen, wie er sich offenbart und sich in Demut der Muße hinzugeben, als wäre sie alle Musen zugleich, hat für mich das Zeug dazu, Anmut genannt zu werden.

Es gibt sie, die Werte. So sind Besinnlichkeit, Mut und Zufriedenheit durchaus Werte des Glücks. Heute z.B. kam mir (mit unschlittem Licht und Hexenschuss) der schmerzliche Gedanke von Armut in den Sinn und gleichzieitg war mir bewusst, dass dieser Schmerz, dieser plötzliche Unmut, ein Wendepunkt, ein Pendelschlag des Lebens ist. Er blitzt auf und vergeht auf dem Weg ins Weitere, wie eine Sternschnuppe. Wünsche, die an Sternschnuppen gebunden sind, erfüllen sich durchaus.
Den Mut zu haben, Unmut unmittelbar umzukehren, aus Wünschen Erfüllung, aus Angst Anmut und aus Hoffnung Vertrauen zu generieren, scheint mir essenziell.


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Würde ich drei Haselnüsse bestücken dürfen, wäre in ihnen Mut zu finden:

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An dieser Stelle will ich ein großes Dankeschön an alle Begleiter und Befürworter meiner Märchenarbeit über die Jahre aussprechen. Ich habe in diesem Jahr so viele schätzenswerte Worte, Gesten und Gaben bekommen, die mich berührten und beeindruckten; und dafür bin ich zutiefst dankbar!

(handgemalte Karte © Heike aus dem Kompass)

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Zum guten Gruß ins neue Jahr soll hier noch ein Märchen aus Japan dienen.
"Der Gott der Armut"

AUDIO

Am Rande der Stadt Osaka lebte in einer armseligen Hütte der Lumpensammler Gohej. Die zerfallene Hütte, durch deren Ritzen im Winter der eisige Wind blies, und ein Haufen Lumpen, das war sein ganzer Besitz. Nie hatte er es im Leben zu etwas gebracht, was immer er auch unternahm, es misslang. Vielleicht weil er zu langsam und ängstlich war, vielleicht auch, weil er in seiner Gutgläubigkeit jedem auf den Leim ging. Auch eine Frau hatte er nicht gefunden, wer wollte auch so einen armen Kerl und Pechvogel zum Manne.

Das alte Jahr neigte sich seinem Ende entgegen und diesmal ging es ihm so schlecht, dass er nicht einmal etwas zu Essen oder gar Holz zum heizen hatte. Kalt fauchte der Wind durch die Ritzen und jeden Augenblick konnte es schneien. Nein, ein fröhliches Neujahrsfest würde das nicht werden. Mit einem Festmahl hatte er zwar nicht gerechnet, aber wenn er doch wenigstens neben dem Hungern nicht auch noch hätte frieren müssen.

Da kam ihm der Gedanke, er könnte die Dielenbretter herausreißen und sie verbrennen. Die Hoffnung auf wärmendes Feuer belebte ihn ein wenig und schnell machte er sich an die Arbeit. Viel Mühe war es nicht, die Hütte hielt ja sowieso kaum noch zusammen. Gerade hatte er das erste Brett herausgerissen und wollte sich an das zweite machen, als er verwundert innehielt und sich die Augen rieb. Wachte oder träumte er? In der Öffnung, die das Brett freigelegt hatte, erschien ein grauhaariger Kopf und gleich darauf kroch ein kleines, altes Männlein hervor, das ihm gerade bis zum Gürtel reichte. Graues Haar und ein grauer Bart umrahmten das aschfahle Gesicht. Gekleidet war das Männlein in graue Lumpen, an den Füßen trug es abgetragene Bastsandalen. Über seine Schulter hing ein zerrissener grauer Beutel.

Gohej staunte mit offenem Mund und brachte vor Verwunderung kein Wort heraus. Doch da sprach das Männlein mit ruhiger Stimme:
„Es ist seltsam, dass du mich nicht kennst. Ich wohne schon so lange unter dem Fußboden und habe immer geglaubt, ich gehöre zu dir. Ich bin der Gott der Armut und es hat mir bei dir gut gefallen. Doch in letzter Zeit ist deine Not auch für mich ein bisschen zu viel. Und da du mir nun auch meine Behausung zerstört hast, werde ich mich nach einer anderen Bleibe umsehen. Gerade beginnt das neue Jahr. Das ist die rechte Zeit dafür. Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, dass ich dich verlasse und stößt zum Abschied mit mir an.“

Gohej schwieg eine Weile und sagte dann verlegen:
„Verzeiht edler Gott, es tut mir wirklich sehr leid, dass ich so unhöflich bin, aber ich kann nicht mit euch trinken, denn ich habe keine Tropfen Reiswein im Haus und auch nichts anderes, womit ich euch bewirten könnte.“

Und vor Kummer begann er zu weinen.
Der Gott nickte mitleidig und suchte dann etwas in seinem Beutel.
„Dass du so arm bist und nicht einmal zum Neujahrsfest einen Tropfen Wein hast, das hätte ich nicht geglaubt“, sagte er.

Er zog eine Schnur Kupfermünzen hervor und reichte sie Gohej.
„Hier, nimm das Geld und kaufe in der Stadt eine Flasche Wein, ein Säckchen Reis und etwas Holzkohle.“

Gohej war bald zurück. Das Geld hatte auch noch für ein Stück Neujahrsfisch gereicht und so machten sie sich ans Essen. Nach dem Mal schenkten sie einander Wein ein und gedachten der vergangenen Jahre. Nach langer Zeit war das wieder einmal ein schöner Abschluss vom alten Jahr.

Als die Flasche fast leer war, sprach der Gott der Armut.
„Du bist ein guter und lieber Mensch. Ich habe mich angenehm mit dir unterhalten, deshalb möchte ich etwas für dich tun. Du scheinst mit der Armut nicht zurechtzukommen und so will ich dir zu besseren Tagen verhelfen. Hör gut zu, was ich jetzt sage. Warte um Mitternacht, wenn das neue Jahr beginnt, vor dem Tempel der vier Himmelskönige. Beim ersten Schlag der Neujahrsglocke reiten drei Reiter an dem Tempel vorbei. Der erste ist gelb, der zweite weiß und der dritte schwarz. Alle drei blicken streng und bierbeißig drein, aber du brauchst dich nicht zu. fürchten. Tritt mutig an den ersten heran, packe die Zügel und halte sie fest. Gelingt es dir bei dem ersten nicht, so musst du wenigstens einen der beiden anderen fangen und darfst nicht loslassen. Alles übrige wirst du sehen, du sollst es nicht bereuen und bis an dein Lebensende brauchst du keine Not mehr zu leiden.“

Nach diesen Worten verabschiedete sich der Gott der Armut und verschwand so schnell, dass sich Gohej sich nicht einmal bedanken konnte.

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Der Lumpensammler machte sich gleich auf den Weg, um noch vor Mitternacht bei dem Tempel der vier Himmelskönige zu sein, der mitten in der Stadt stand. Es begann zu schneien und als Gohej vor dem Tempel anlangte, war ringsum alles weiß. Der Mond schob die Wolken beiseite und leuchtete auf den leeren Platz, wo Gohej stand und vor Kälte und Erregung zitterte. Er stampfte mit den Füßen und konnte die Mitternacht kaum erwarten.

Endlich ertönte der erste Glockenschlag, der das neue Jahr einläutete. Im gleichen Augenblick vernahm Gohej Hufschläge und aus der Dunkelheit tauchten drei Reiter auf.

Der erste ritt auf einem gelben Hengst und trug einen goldenen Helm, ein gelbes Seidenkleid und am Gürtel ein langes Schwert. Der zweite ritt auf einem herrlichen Schimmel und seine Kleidung leuchtete im Licht des Mondes noch weißer als der frische Schnee. Dafür hob sich der letzte kaum von der Schwärze der Nacht ab, denn er ritt auf einem Rappen und war selbst ganz in schwarz gekleidet. Sogar sein Bart war schwarz.

Alle drei blickten so furchterregend drein, dass Gohej erschauerte und sich kaum von der Stelle rühren konnte. Ehe er sich besann, war der gelbe Reiter vorüber und der weiße kam heran. Da nahm Gohej allen Mut zusammen, blickte nicht auf den Reiter, sondern nur auf das Pferd, und streckte die Hand nach den Zügeln aus. Der Schimmel aber schnaubte so arg, dass Gohej erschrak und die Hand wieder sinken ließ. Nun war auch der weiße Reiter vorüber. Gohej seufzte, weil ihm wieder einmal nichts gelingen wollte. Dann raffte er sich auf sprang dem Rappen in den Weg und griff nach den Zügeln. Doch das Pferd bäumte sich auf, riss sich los und schon war es in der Nacht verschwunden.

Gohej war den Tränen nahe. Nun musste er bis zu seinem Tode in Armut leben und hatte außerdem den Gott, der ihm helfen wollte, enttäuscht. Doch da vernahm er in der Ferne wieder Hufschläge und sah einen vierten Reiter herankommen. Vielleicht hatte er sich verzählt, vielleicht auch nur geträumt und die richtigen Reiter kamen erst jetzt.

Mutig sprang er dem Pferd entgegen und packte es fest am Zügel. Diesmal sträubte sich das Tier nicht und als Gohej nach oben schaute, sah er, dass es ein Grauschimmel war und der Reiter niemand anders, als der Gott der Armut.

„Gohej, ach Gohej! Ich habe dir doch gesagt, du sollst einen von den Dreien festhalten. Sie sind die Götter des Geldes. Der erste ist der Gott der Goldstücke, der zweite der Silbermünzen und der dritte, der Schwarze, der Gott des Kupfergeldes. Wenn du den ersten erwischt hättest, würdest du reich sein bis an dein Lebensende, hättest Goldstücke in Hülle und Fülle gehabt, wärst ein reicher Mann geworden. Die anderen beiden wären auch kein schlechter Fang gewesen, aber du hast alles verpatzt und wieder nur mich, den Gott der Armut, gefangen. Doch da ich mich nun einmal entschlossen habe von dir wegzugehen, will ich dir noch einmal helfen. Pass gut auf. Heute um Mitternacht reiten wir vier den gleichen Weg zurück. Versuche es noch einmal. Doch gibt diesmal besser acht und nun lass mich los.“

Gohej gehorchte und bald waren Ross und Reiter verschwunden.Der Tadel des Gottes hatte ihn betrübt, doch noch war ja nicht alles verloren.

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Den ganzen Neujahrstag dachte er an den Abend und nahm sich vor, diesmal das gelbe Pferd zu packen und auf keinen Fall loszulassen, mochte es sich sträuben, wie es wollte.

Am Abend begab er sich wieder zum Tempel der vier Himmelskönige. Der Schnee war geschmolzen und nasser Schlamm bedeckte die Erde, aber wärmer war es auch nicht. Und weil Gohej schon lange vor Mitternacht ungeduldig bei dem Tempel wartete, war er ganz durchfroren, als endlich der Mond zwischen den Wolken hervorsah und die Mitternachtsglocke schlug.

Da tauchten auch schon die Reiter auf. Gohej stellte sich dem ersten breitbeinig in den Weg, nahm seinen Mut zusammen und warf sich dem Pferd entgegen. Doch das bäumte sich auf und sprang über ihn hinweg.

„Wenn ich schon den Goldenen nicht erwischt habe, muss ich wenigstens den Silbernen fangen“, sagte sich Gohej und ließ sich nicht lange Bange machen.

Mutig packte er den Zügel, aber da begann das Pferd plötzlich zu galoppieren. Der Zügel glitt ihm aus der Hand und auch der silberne Reiter verschwand in der Nacht.

Mit Tränen in den Augen sah der Lumpensammler seine Hoffnungen zerrinnen. Doch noch kam ja der schwarze Reiter, der Gott der Kupfermünzen. Gohej hängte sich mit aller Kraft an die Zügel des Rappen, schloss die Augen und hielt fest, wie sehr sich das Pferd, auch sträubte und wehrte.

Endlich ließ der Widerstand nach und als Gohej die Augen öffnete, sah er zwar keinen schwarzen Reiter mehr, aber dafür hielt er einen großen Beutel Kupfermünzen in der Hand.

In diesem Augenblick ritt auch der Grauschimmel vorüber. Der Gott der Armut nickte Gohej freundlich zu und ehe der Lumpensammler sich verbeugen konnte, war er den drei Göttern des Geldes gefolgt.

Zufrieden ging Gohej nach Hause. Er wurde zwar nicht reich, aber das Kupfergeld ging ihm seit jener Zeit nicht mehr aus. Mit den Jahren besserte er die Hütte aus und weil er nicht mehr ganz so arm war, fand er auch eine Frau und lebte zufrieden bis an sein Lebensende.


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Hinweise und Quellen

Bücher
"Das goldene Spinnrad und andere Märchen" 1981 Gustav Kiepenheuer Verlag
"Japanische Märchen und Volkserzählungen" Artia Verlag

Wikipedia
Oshôgatsu das Neujahrsfest in Japan, seit 1873 auf den 1. Janaur verlegt.

Brauchwiki
Neujahrsfest in Japan

Verweise intern auf KJUI.de
Novemberbuch 2019 Alices wundersame Japanreise


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Anke Ilona Nikoleit


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