KJUI Ringelblumen aus Iris Garten

Der Briefmark von Ringelnatz und Valentin von Terni

Audio kompakt


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Valentinstag, was wissen wir schon davon, und überhaupt: So genau, weiß das keiner!

Der Valentinstag ist mir gerade mal seit der Wende vertraut. Ich erfuhr, dass es da einen Bischof gab, der die Liebenden, die z.B. wegen nicht standesgemäßer Herkunft nicht heiraten durften, heimlich miteinander vermählte. Toller Mensch, dachte ich! Rebell! Widersacher! Und also hatte dieser Tag mein vollstes Vertrauen.
Solche nicht standesgemäßen Liebesgeschichten verlaufen meist dramatisch, wie wir z.B. von Romeo und Julia wissen - aber Märchen gehen ja gut aus, oder?

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Wundersame Geschichte einer Liebe, erzählt von Juan, 69 Jahre alt, aus Argentinien:
Das ist nicht hier bei uns passiert, meine Herren, das muss woanders geschehen sein, draußen in der Provinz, auf dem Land, in ... ach ich weiß nicht mehr wo. Mir hat die Geschichte mein Großvater erzählt, aber ich erinnere mich nicht mehr: Hat sie sich damals zugetragen, oder noch früher. Doch das ist ja ganz gleichgültig. Wäre das alles aber nicht gewesen, so könnte man es nicht erzählen, das könnt ihr mir glauben.

Also, da waren einmal, wie man es ja bei uns häufig trifft, zwei Familien, zwei Clans, die waren miteinander verfeindet. Sie haben sich bis aufs Messer bekämpft. Und bald haben die einen ein Mitglied der anderen Familie umgebracht, bald die anderen jemanden von der einen. Das ging so hin und her mit Feindschaft, mit Schießen, mit Rauben. Einfach kein Ende. Der Hass erbte sich fort, er wurde zu einer Gewohnheit. Auch wenn ich die Namen wüsste, ich möchte sie doch nicht sagen. An solchen Dingen soll man nicht rühren! Finger weg und schweigen, das wäre das Beste.

Aber nun ist da doch etwas passiert, das ... und deshalb muss ich die Geschichte erzählen, soviel ich davon weiß.

Aus der Familie der einen Gruppe hat sich einmal ein Bursche in ein Mädchen der anderen Gruppe verliebt. Das kommt vor. In der Kirche haben sie sich ja öfter gesehen. Und da hat eines hin und eines hergeschaut. Nun ihr kennt das. Man weiß später nie mehr, wie das gekommen ist, dass man sich verliebt hat. Nun so geht es: den beiden konnte es gar nicht genug Festtage geben, um in die Kirche zu kommen. Beim Mädchen ist das nicht so aufgefallen, aber vom Bursche haben die Spötter schon gemunkelt: Der wird einmal ein Pfarrer, weil es ihn so in die Kirche zieht. Aber da war keine mystische Sage, da war nur eine sehr irdische Liebe. Die beiden jungen Leute haben sich dann auch mal hier und dort heimlich getroffen. Aber sie haben gewusst: wir dürfen uns nicht erwischen lassen, die Eltern bringen uns um!"

Das ging so einige Zeit. Aber an einem Sonntag sieht der Bursche, dass das Mädchen in der Kirche die ganze Messe hindurch weint. Er ist verwirrt und unruhig, denn er weiß ja nicht warum. Ja, so geht das. Doch nach der Messe kommt eine Freundin seiner Braut – ich sage Braut, obwohl es nur seine Geliebte war, aber das Mädchen war für ihn, wie eine Braut und niemals hätte er eine andere Frau geheiratet. Also es kommt eine Freundin seiner Braut und steckt ihm einen Zettel zu. Daheim ist der junge Mann gleich auf sein Zimmer gegangen, damit er den Zettel lesen kann. Und was steht auf dem Zettel? "Liebster" (so, oder so ähnlich) Ich muss in 15 Tagen in die Stadt und muss einen Mann heiraten, den ich kaum kenne und den ich hasse. Leb wohl!" Und so weiter. Der Bursche ist ganz verzweifelt! Was kann man da machen?

Er geht zum Bruder der Freundin seiner Braut, denn er weiß, dem kann er vertrauen. Dort hat er auch schon seine Liebste getroffen, heimlich – versteht sich. So auch diesmal: Er trifft sein Mädchen. Das kann vor Weinen kaum reden. "Mag alles zum Teufel gehen", sagt der Bursche, "wir werden fliehen." "Wohn?" fragt das Mädchen. "Wohin? Das wird sich finden. In einer Stadt im Süden lebt mein Pate, der ist ein guter Mensch. Er wird Rat wissen." "Gut, fliehen wir, sagt das Mädchen, "noch heute Nacht, ehe es zu spät ist." Sie beschließen, der Bursche soll die Pferde auf halbem Wege lassen, damit nicht das Getrappel im Hause gehört wird. Der Bursche macht sich nachts heimlich auf, reitet zu einer Baumgruppe auf halbem Weg zwischen den beiden Besitzungen. Dort bindet er die Pferde an. Dann schleicht er zum Hause seiner Liebsten, die ihn schon erwartet. Und dann laufen sie, so schnell sie können, zu jener Baumgruppe. Aber welcher Schrecken, als sie dort ankommen – keine Pferde da. Ein Dieb muss sie gestohlen haben. Was tun? Es ist zu spät, um umzukehren, es ist zu spät, um andere Pferde zu holen und zu satteln. Sie beschließen, statt in die Ebene ins Gebirge hinein zu fliehen.

Bald nach Tagesanbruch stellt man in beiden feindlichen Familien fest, dass die beiden fehlen. Zunächst sucht man sie aufgebracht im Hause des Gegners, aber da merkt man gleich am Zorn des andern, dass sie dort nicht sind. Man sattelt die Pferde und macht sich auf die Verfolgung, schwer bewaffnet, versteht sich. Die beiden jungen Leute sind inzwischen am Fuß der Berge angekommen und beginnen aufzusteigen. Das Mädchen ist jedoch so erschöpft, dass sie bald nicht mehr kann. Unten in der Ebene sehen sie ihre grausamen Verfolger angeritten kommen. Da sagt das Mädchen: "Komm, lass uns in jener Höhle sterben! Unsere Väter würden uns doch noch grausamer umbringen. Töte du erst mich und dann dich selber!" "Ja", sagt der Bursche, "aber wenn wir schon sterben müssen, so lass uns wenigstens einmal wie Mann und Frau sein, wenn wir schon keine richtige Ehe leben dürfen." "Gut", sagt das Mädchen, "es soll so sein, wie du es sagst." Sie sind in die Höhle gegangen, das Mädchen hat seine Röcke hinauf gestreift und sich niedergelegt. Dann hat sie ihre Schenkel gespreizt und ihr Geliebter ist in sie eingedrungen. Und über die Liebe haben sie schier alles vergessen.

Etwa in diesem Augenblick sind die beiden verfeindeten Väter vor der Höhle angekommen, haben ihre Gewehre entsichert, um die Kinder zu erschießen. Aber wie sie in die Höhle hineinkommen, was sehen sie da? Ein großes loderndes Feuer, dessen Flammen bis zur Decke schlagen. Halb geblendet, halb erschüttert sind sie aus der Höhle hinausgewankt!

"Die armen Kinder!" sagt der eine Vater. "Sie haben sich selbst angezündet." "Das habe ich eigentlich nicht gewollt!" sagt der andere Vater. "Züchtigen ja, aber doch nicht töten." "Woher hatten sie nur das Benzin?" fragen sich beide. Dann schauen sie einander lange schweigend an. Und endlich sagt einer: "Wir sind beide zu spät gekommen. Sie sind verbrannt. Aber warum sind wir eigentlich verfeindet?" "Ja, warum nur?" sagt der andere. Zwar konnten sie noch keinen Frieden schließen, doch gingen sie ohne Groll auseinander und jeder kehrte in sein Haus zurück. Später sollen sie sich dann ausgesöhnt haben. Die beiden Liebenden aber setzen später ihre Flucht fort. Sie haben auch ihr Ziel erreicht, geheiratet und neun Monate später war ein Kind da. Das ist’s was ich von dieser Geschichte weiß.

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Valentinstag, was wissen wir schon davon, und überhaupt: So genau, weiß das keiner!

Also: Zum einen haben wir den bereits erwähnten Bischof: Valentin von Terni.
Er soll sich seinerzeit, nämlich im 3 Jahrhundert, als die Christenverfolgung im Mittelmeerraum am höchsten war, über das Verbot des Kaisers hinweggesetzt haben, dass insbesondere Soldaten nicht heiraten dürfen. Die brauchte der Kaiser nämlich und wollte sie daher ohne familiäre Bindungen. Valentin aber traute sich, die Liebenden zu trauen und obendrein noch christlich und außerdem verschenkte er dazu Blumen aus der Klostergärtnerei, denn er war nicht nur Bischof, sondern auch leidenschaftlicher Gärtner. Und weil er am 14. Februar 269 n.Chr. hingerichtet wurde, so sagt man, feiert man dieses Liebesfest eben am 14. Februar.

Aber woher kommen die Bräuche zu diesem Fest?

Eine andere Vermutung ist daher, dass die Valentinsbräuche überhaupt erst im 14. Jahrhundert auftauchten. Der von Frankreich ausgehende Minnesang (zu Minne, die Verehrung einer meist hochgestellten Frau; von mittelhochdeutsch minne "liebevolles Gedenken") könnte die Valentinsbräuche hervorgebracht haben, sagt man. Damals entstand nämlich ein neuer Blick auf die Frau. Ihr wurde Respekt entgegengebracht. Diese Gepflogenheit ging vom Adel aus und ging dann auch auf das Bürgertum über.

In England gingen höfische Kreise am Valentinstag sogar einem ganz besonderen Vergnügen nach: Sie spielten Vogelhochzeit! Verliebte warben zu Valentin mit Gedichten und Liedern um den Partner; der Valentin-Mann bemühte sich quasi spielerisch darum einer Valentin-Frau, einer Valentine, zu gefallen.

Dank dieser Recherchen im Netz konnte ich mich dann wenigstens daran erinnern, dass wir im Kindergarten tatsächlich immer zu einer bestimmten Zeit dieses Lied "Ein Vogel wollte Hochzeit machen, in dem grünen Walde, fidirallala, fidirallala, fidirallalalala" sangen.

"Die Drossel ist der Bräutigam, die Amsel ist die Braute" - Ich erinnere mich, dass ich dieses Lied nie richtig kapiert hatte: Die Drossel ist der Bräutigam. Bei mir waren damals noch alle Vögel dem Artikel gemäß männlich oder weiblich. Die Drossel war weiblich! Der Specht, der Kuckuck, der Uhu – die waren männlich. Das Huhn, da wusste ich Bescheid. Das Huhn war schließlich entweder die Henne oder der Hahn.

Die Amsel ist die "Braute". Braute – Braut! Und: "Die Lerche, die Lerche, die bringt die Braut zur Kerche". Kerche ... ich fühlte mich unsicher! Und dann: "Der Auerhahn, der Auerhahn, der ist der würd‘ge Herr Kaplan, fidirallala, fidirallala, fidirallalalala". Beim Auerhahn dachte ich an einen Ochsen und was ein Kaplan ist, wusste ich auch nicht. Komisch war das!

Noch so eine Strophe in dem Lied: "Die Gänse und die Anten, das sind die Musikanten". Anten? – Google sei Dank weiß ich nun, dass die Enten gemeint sind. Ich hatte damals jedenfalls schwer zu tun, mir das vorzustellen, aber ich glaube, ich musste auch nur eine Strophe kennen: "Der Uhuhu, der Uhuhu, der macht die Fensterläden zu ... "

Naja, jedenfalls dachte ich mir, ich muss doch ein Märchen finden, in dem es eine Vogelhochzeit gibt. Ich habe gesucht und gesucht und dann, Märchengott sei Dank, habe ich eins gefunden, ein rumänisch/jüdisches Märchen "Der Kuckuck und der Wiedehopf".

Der Wiedehopf, der Wiedehopf, der bringt der Braut nen Blumentopf ...

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Der Kuckuck und der Wiedehopf
Damals, als der Kuckuck noch eine prächtige Haube auf dem Kopf trug, sah er aus, wie ein Prinz mit einer Krone. Die Haube war so schön und der Kuckuck war gutherzig und lieh seinen Kopfschmuck gern.

Einmal, da sollte der Wiedehopf Brautführer sein. Er freute sich sehr auf die Feier, legte sein bestes Gefieder an und putzte seinen Schnabel blank. Aber sein Kopf kam ihm immer noch nicht festlich genug vor. Da erinnerte er sich an die prächtige Kopfhaube des Kuckucks und ersuchte ihn, sie ihm zu borgen. "Mit Vergnügen", sagte der gefällige Kuckuck, "aber bring sie mir morgen wieder." "Freilich" versprach der Wiedehopf, setzte sich die Haube auf und ging zur Hochzeit. Alle Gäste lobten seine elegante Erscheinung. "Du hast aber einen prächtigen Kopfschmuck, Wiedehopf, wo hast du ihn her?" Da prahlte der Wiedehopf: "König Salomo selbst hat ihn mir für meine weisen Ratschläge geschenkt!" "Du bist König Salomos Ratgeber?" staunten die Vögel und der Wiedehopf stieg so sehr in ihrer Achtung, dass sie ihn um ein Haar zu ihrem König gewählt hätten.

Am nächsten Tag war das Fest vorbei und der Wiedehopf sollte die Haube zurückgeben. Begreiflicherweise hatte er keine Lust. "Mir steht sie doch viel besser, als dem Kuckuck! Und was würden die Vögel sagen und erst der weise König Salomo!" So behielt er die Haube.

Der Kuckuck wartete ein paar Tage, doch dann verlangte er seinen Kopfschmuck zurück. "Was für eine Haube?" wunderte sich der Wiedehopf. "Die du auf dem Kopf trägst!" sagte der Kuckuck. "Die hat mir der weise König Salomo geschenkt"! zeterte der Wiedehopf. "Wenn du’s nicht glaubst, frag nur die Nachbarn!"

Der Kuckuck fragte und fragte und fragte, aber die Nachbarn wussten doch nur, was der Wiedehopf ihnen vorgeflunkert hatte. Und das konnten sie auch alle vor Gericht beschwören: "Ja, der Wiedehopf hat die Haube vom weisen König Salomo für seine klugen Ratschläge bekommen!"

So erhielt der arme Kuckuck seinen Kopfschmuck nie mehr zurück. Und während fortan der Wiedehopf sich vor ihm in hohlen Baumstämmen verbirgt, streicht der Kuckuck durch den Wald und klagt: "Dem Kuckuck gehört die Haube! Dem Kuckuck, dem Kuckuck, dem Kuckuck ..."

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Valentinstag, was wissen wir schon davon, und überhaupt: So genau, weiß das keiner!

Aber ich habe den Podcast ja Der Briefmark von Ringelnatz und Valentin genannt, also muss ich jetzt auch mal zum Punkt kommen: In einem Gespräch über Sprache und Verständnis und Verständigung usw. usw. fiel mir das wunderschöne Gedicht "Der Briefmark" von Ringelnatz in die Hände.

Ein männlicher Briefmark erlebte
was Schönes, bevor er klebte.
Er war von einer Prinzessin beleckt,
da war die Liebe in ihm erweckt.
Er wollte sie wieder küssen,
da hat er verreisen müssen.
So liebte er sie vergebens.
Das ist die Tragik des Lebens!

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Rundheraus habe ich nun auch ein Gedicht verfasst: "Der Milchkann"

Ein Milchkann und ein Milchkann liebten
nicht nur die Milch, die sie enthielten.
Und beide, christlich wohl erzogen,
ersuchten Zuspruch nun von oben,
sich ihrer Liebe herzlich hinzugeben
und baten um den kirchlich’ Segen.

Doch ach, das Standesamt sollt reichen!
Allein die Ehe ist dergleichen
wert, sagt Oberhaupt im Namen Gottes,
lässt steh’ n den Kann mit Mann, anstatt es
noch einmal gut zu überdenken
und Milchkann’s Liebe so zu kränken.

Würd Milchkann doch nur grad verstehn,
dass Kann und Krug nur angenehm,
den Segensspruch von Gott erhalten.
Woher er’s weiß?
Wer will da streiten?

Obgleich der Inhalt beider Formen,
ja, aller Krug- und Kannenormen,
gleichsam mit Milch, ob warm, ob kalt,
gefüllt sind.
Nun, so ist es halt.


Valentinstag, was wissen wir schon davon, und überhaupt ...

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Hinweise und Quellen

Der Briefmark
gesprochen von Fritz Stavenhagen


Wikipedia
Valentin von Terni
Die Vogelhochzeit


Bücher Wundersame Geschichte einer Liebe
Märchen aus Argentinien und Paraguay
Diederichs Märchen der Weltliteratur

Der Kuckuck und der Wiedehopf
Die schönsten Tiermärchen der Welt
Artia Verlag, Praha


Mit Dank vorab für Empfehlungen!

Herzliche Grüße
Anke Ilona Nikoleit


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